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Kan. HR Univ.-Prof. Dr. Dr. August Rohling

Kan. HR Univ.-Prof. Dr. Dr. August Rohling

Ehrenmitgliedschaften: Austria Innsbruck, Ferdinandea (Prag) zu Heidelberg

Geboren: 15.02.1839, Neukirchen bei Rheine (Landkreis Steinfurt, damals Provinz Westfalen, Preußen, nunmehr Nordrhein-Westfalen)
Gestorben: 23.01.1931, Salzburg
Aus dem CV ausgeschieden, Universitätsprofessor (Altes Testament), Weltpriester

Lebenslauf:

AUSBILDUNG UND BERUFLICHER WERDEGANG

Rohling besuchte zuerst das Progymnasium in Rheine und dann das Gymnasium Paulinum in Münster, wo er 1858 die Reifeprüfung ablegte. Danach begann er das Studium an der Theologischen Akademie in Münster (Lic. Theol. 1865) und empfing am 21. Mai 1863 in Münster die Priesterweihe. Nach zweijährigem Aufenthalt in Paris und Brüssel, wo er beim Grafen Merode als Erzieher wirkte, kehrte er wieder zurück. Danach übernahm Rohling eine Kaplansstelle in Rheinberg (damals Landkreis Moers, nunmehr Landkreis Wesel, Nordrhein-Westfalen).

Nach dem Erwerb des Lizentiats habilitierte er sich an der Theologischen Akademie in Münster für Bibelwissenschaften (Altes und Neues Testament). In dieser Zeit hatte er offenbar Kontakt zur 1864 gegründeten KV-Verbindung Germania Münster. Auf der KV-Generalversammlung 1868 in Münster gab es Ausbreitungspläne. Rohling wurde im Zuge dessen beauftragt, einen nichtfarbentragenden katholischen Studentenverein in Wien zu gründen, was aber nicht umgesetzt werden konnte. Es besteht die Vermutung, daß er zur Germania nicht nur Kontakt gehabt hat, sondern möglicherweise auch deren Mitglied war.

Ab 1866 war er dort Privatdozent für dieses Fach und gleichzeitig Kaplan an St. Martini in Münster. Nebenher studierte er an der Philosophischen Fakultät der Universität Jena (Dr. phil. 1867). In dieser Zeit hatte er offenbar Kontakt zur KV-Verbindung Germania Münster bzw. gehörte ihr sogar an, denn er wurde von dieser, als sie 1868 Vorort des KV war, beauftragt, in Wien eine KV-Verbindung zu gründen, was aber nicht umgesetzt wurde.

Rohlings prekäre finanzielle Situation führte u. a. dazu, daß er 1871 das Buch „Der Talmudjude“ herausbrachte. Dieses wurde zu einem Klassiker der antisemitischen Literatur, erlebte bis in die NS-Zeit hinein 22 Auflagen und wurde mehrfach übersetzt. Mehrere hunderttausend Exemplare wurden davon verkauft. Nachgewiesenermaßen war es aber ein Plagiat des 1700 erschienenen Buches „Entdecktes Judentum“ von Johann Andreas Eisenmenger, das versuchte, verschiedene absurde Vorurteile über das Judentum (z. B. Ritualmord) zu verbreiten.

Rohling wurde zwar 1871 zum Dr. theol. h. c. promoviert und zum ao. Professor in Münster ernannt, aber ohne gehaltsmäßige Zusicherung, was noch immer nicht seine finanzielle Absicherung bedeutete. Daher ging er 1874 für ein Jahr in die USA, um am Priesterseminar St. Francis of Sales in Milwaukee (Wisconsin) Moraltheologie zu lehren. 1875 kehrte er nach Europa zurück und knüpfte nach kurzen Aufenthalten in Italien und London bald Kontakte nach Österreich. So ist z. B. ein Aufenthalt Rohlings für den Dezember 1875 in Innsbruck sowie ein Besuch bei der dortigen Austria belegt. Am 11. April 1876 wurde er von Kaiser Franz Joseph zum ordentlichen Universitätsprofessor des Bibelstudiums und der Exegese des Alten Bundes an der Theologischen Fakultät der deutschen Karl-Ferdinands-Universität Prag ernannt.

ROHLING ALS ANTISEMITISCHER AGITATOR

Neben der einschlägigen publizistischen Tätigkeit konnte Rohling seine neue Stellung nun auch dafür nützen, um vor verschiedenen Gerichten als Sachverständiger zu bezeugen, daß sich aus dem Talmud und aus anderen rabbinischen Schriften Beweise für die Unmoral des Judentums (z. B. Ritualmord) erbringen lassen. Dadurch setzte er sich für zahlreiche antisemitische Agitatoren ein und erwirkte dadurch deren Freispruch bei Gericht. Durch Fälschungen, Meineide sowie durch Entstellungen und Verspottungen der jüdischen Religion, des Talmuds und der rabbinischen Schriften versuchte er, eine Atmosphäre zu schaffen, die zur Aufhebung der Gleichstellung der Juden führen sollte.

In den Jahren 1880 bis 1884 entfaltete Rohling seine „fruchtbarste“ antisemitische Tätigkeit. Als die von ihm geschürte Judenhetze gefährlichere Ausmaße annahm, versuchten staatliche Stellen, sogar Regierungsmitglieder, allerdings vergeblich, einzugreifen. Da Rohling den Weisungen der Behörden nicht nachkam, seine Polemik zu drosseln, forderte der Statthalter von Böhmen von der Theologischen Fakultät sogar die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Deren Disziplinarkommission sprach aber Rohling frei. Als Begründung dafür wurde angeführt, daß der „Talmudjude“ vor seiner Ernennung zum Professor erschienen sei.

Parallel dazu kam es aber zum entscheidenden Prozeß Rohling gegen den liberalen RRAbg. und Rabbiner von Floridsdorf, Joseph Samuel Bloch. Bereits am 22. Dezember 1882 erschien der erste von insgesamt vier Artikel Blochs in der „Wiener Allgemeinen Zeitung“. Er bediente sich nun nicht mehr der alten Methode, die Äußerungen Rohlings lediglich zu widerlegen, sondern ging zum Gegenangriff über. Sein Ziel war, eine Klage Rohlings gegen ihn zu provozieren. Diese Strategie ging auf, Rohling reichte am 18. März 1884 die Ehrenbeleidigungsklage (nach § 488 des damaligen österreichischen Strafgesetzbuches) ein und ließ sich von dem prononciert antisemitischen Rechtsanwalt Robert Pattai, der von 1885 bis 1911 christlichsozialer RRAbg. war, vertreten. Bloch wurde angeklagt, Rohling vorgeworfen zu haben, daß derselbe bloß Lügen niedergeschrieben habe und allzeit bereit gewesen sei, diese als gerichtlich beeideter Sachverständiger zu beschwören. Es lag nun an Bloch zu beweisen, daß die Behauptungen Rohlings falsch seien. Das führte naturgemäß zu einer umfangreichen gerichtlich bestellten Gutachtertätigkeit. Erst im Juni 1885 lagen die Gutachten vor.

Diese waren für Rohling aber ungünstig, so daß er im Oktober 1885 die Klage gegen Bloch zurückzog. Es bestand nämlich die Gefahr, daß er den Prozeß verlieren könnte. Das wäre für sich allein genommen noch nicht so schlimm gewesen. Aber dadurch wäre gerichtsnotorisch erstens Rohlings wissenschaftliche Reputation zerstört worden, und zweitens – und das wäre wohl entscheidender gewesen – hätte nun Rohling wegen Meineids angezeigt werden müssen, weil er ja als gerichtlich beeideter Sachverständiger nachgewiesenermaßen die Unwahrheit gesagt hatte.

Was nun folgte, ist nicht mehr exakt nachzuvollziehen. Es gibt Hinweise, daß Rohling kurz danach 1885 von seiner Lehrtätigkeit entbunden wurde, was an sich eine logische Konsequenz sowohl aus dem Prozeß wie auch aus der Disziplinaruntersuchung gewesen wäre. Zwischenzeitlich erhielt er 1892 ein Kanonikat an der Stiftskirche zu Prag. 1897 veröffentlichte er die chiliastische Schrift „Der Zukunftsstaat“, die jedoch von Rom auf den Index gesetzt wurde. Das war zu damaligen Zeit für einen Professor der Theologie bzw. einen Priester eine schwerwiegende Sache und förderte weiter seine Isolierung. Ende 1898 suchte er um seine Pensionierung an, dem mit Wirkung von Ende März 1899 stattgegeben wurde. Sein Nachfolger wurde Josef Rieber (Fd). Rohling zog 1903 zuerst nach Wien, um sich dann 1911 in Görz (Küstenland), später in Freistadt (Oberösterreich) und schließlich in Salzburg niederzulassen.

ROHLING UND DER CV

In den Annalen der AV Austria Innsbruck steht vermerkt: „Am BC vom 7. Februar 1877 wurde Hw. H. Dr. Rohling, jetzt Professor der Theologie in Prag, zum Ehrenmitglied creirt. Unter anderen bewogen uns bei Prof. Dr. Rohling, der in der Zeit seines hiesigen Aufenthalts in den engsten Contact mit uns trat, besonders sein ausgedehnter Ruf und seine wirklich großen Verdienste um die Austria.“ Welche großen Verdienste das waren, wird nicht genannt. Wegen seiner notorischen Geldknappheit werden es wohl keine pekuniären gewesen sein.

Ob sein Antisemitismus ausschlaggebend gewesen war? Das ist zwar nicht zu beweisen. Aber sein „ausgedehnter Ruf“ war damals bereits derart, daß dieser Umstand wohl nicht ohne Bedeutung gewesen sein konnte.

Besonders verwunderlich ist es aber, daß Rohling nach den vorhin erwähnten Vorfällen bis 1885 im Jahr 1887 von der Ferdinandea die Ehrenmitgliedschaft verliehen bekam. Zwar wurden gleichzeitig drei weitere Professoren der Theologischen Fakultät zu Ehrenmitgliedern ernannt, aber deswegen wird die Sache auch nicht durchsichtiger. Gründe werden in der offiziellen Geschichte der Ferdinandea keine angegeben. Da diese Verbindung damals noch in der Gründungsphase war, wollte man offenbar Professoren dieser Fakultät an sich binden. Man muß aber auch aus damaliger Sicht betonen, daß die Ehrenmitgliedschaftsverleihung der Ferdinandea an Rohling, der bereits von seiner Lehrtätigkeit entbunden war, nicht nachzuvollziehen war.

Obwohl Rohling erst Anfang 1931 verstarb, verschwand er bereits Jahre zuvor aus den Gesamtverzeichnissen des CV. Bei der Austria Innsbruck ist er letztmalig 1909 angeführt, in der Ausgabe von 1910 und in den folgenden fehlt er. Bei der Ferdinandea scheint er in den Gesamtverzeichnissen nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr auf. Er erscheint bei beiden Verbindungen auch nicht im Totenverzeichnis des Gesamtverzeichnisses 1931. Es gibt auch keinen Hinweis auf den Tod Rohlings in den Austrier-Blättern der fraglichen Zeit (bis 1935).

Ist Rohling nun ausgeschlossen worden, hat man ihm nahegelegt, selber auszutreten, oder hat er alleine von sich aus diesen Schritt getan? Ignoramus et ignorabimus. Einen Fehler der Standesführungen der beiden Verbindungen scheint doch eher ausgeschlossen zu sein, denn erstens fehlt er bei beiden Verbindungen fast gleichzeitig, und zweitens hätte man den Fehler doch später irgendwann einmal bemerken müssen. Auffällig ist bei der Ferdinanden-Geschichte, daß Rohling Ende der achtziger Jahre bis Anfang der neunziger Jahre als gelegentlicher Teilnehmer von Verbindungsveranstaltungen genannt wird, dann nicht mehr, auch nicht bei runden Stiftungsfesten. Das läßt auf einen mehr oder minder freiwilligen Rückzug schließen. Andererseits wird seitens der Ferdinandea Rohling als Ehrenmitglied noch in der Dezemberausgabe 1903 der Academia erwähnt.

Widersprüchlich sind auch die Meldungen der Austria. In deren Grundbuch finden sich unter Rohling nachträgliche Eintragungen, offensichtlich vom langjährigen Archivar Alois Großmann (AIn). Der hat auch in den Austrier-Blättern 1949, eine Kurzbiographie Rohlings verfaßt. Das geschah im Rahmen einer mehrteiligen Abhandlung, die bekannte Mitglieder (Ehren- und Urmitglieder) aufzählt. Auch in der Festschrift der Austria im Jahr 1964 wird Rohling bei den Ehrenmitgliedern erwähnt, allerdings fußt dieser Beitrag auf der Darstellung in den Austrier-Blättern von 1949.

Auch wenn es offenbar schon vor dem Ersten Weltkrieg eine wie auch immer geartete Distanz zwischen Rohling und seinen zwei Verbindungen gegeben haben muß, so sind seine Ehrenmitgliedschaften kein Ruhmesblatt für den CV, weniger trifft das die Austria, dafür mehr die Ferdinandea.

Es kann daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen sein, daß die Mitgliedschaft Rohlings bei beiden Verbindungen kurz vor bzw. nach dem Ersten Weltkrieg aus welchen Gründen auch immer beendet wurde. Es gibt keinen Grund, von einer weiter bestanden habenden Mitgliedschaft bis zu seinem Tod auszugehen. Rohling gilt daher als ausgeschiedenes CV-Mitglied.

Im Zusammenhang mit Rohling und der Austria Innsbruck gibt es einen weiteren interessanten Vorgang. Im Gegensatz zu Österreich hat sich der Politische Katholizismus in Deutschland bzw. Preußen (Zentrumspartei) gegenüber den Juden toleranter und zurückhaltender verhalten. Einen Antisemitismus der Art wie bei den Christlichsozialen kannte man beim Zentrum nicht. Das erregte natürlich den Unmut Rohlings. Am 8. März 1895, als er schon weitgehend isoliert war, schrieb er an den damaligen Zentrumsführer Ernst Lieber (AIn EM) einen Brief, wo er sich darüber beschwert und Lieber sogar unterstellt hat, er sei Jude (Lieber käme von Leb, Lev, Levy). Das führte natürlich zu einer ironischen Antwort Liebers. Dieser erhielt am 24. Juni 1871 die Ehrenmitgliedschaft der Austria verliehen. Offenbar war beiden nicht bekannt oder präsent, daß sie jeweils Ehrenmitglieder derselben Verbindung waren.

Rohling steht am Scharnier zwischen religiösem Antijudaismus und politisch motiviertem Antisemitismus aus rassischen oder wirtschaftlichen Motiven. Er gehörte zu den bedeutendsten und wüstesten Vertretern des radikalen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts. Mit seinen polemischen-antijüdischen sowie antisemitischen Schriften hat er wesentlich zur Ausbreitung des Antisemitismus insbesondere in Österreich beigetragen. Seine Ehrenmitgliedschaft bei der Austria-Innsbruck und der Ferdinandea werden daher immer wieder kritisch angemerkt.

Werke:

(Auswahl)
Der Antichrist und das Ende der Welt (1865, 2. Aufl. 1875).
Grundriß der Einleitung in das Alte Testament (1867).
Grundriß der biblischen Archäologie (1868).
Der Talmudjude. Zur Beherzigung für Juden und Christen (1871).
Der Prophet Jesaja, übersetzt und erklärt (1872).
Zum Pressprocess wider den Bezirksrabbiner und Reichsrathsabgeordneten J. J. Bloch (1883).
Der Prozeß Rohling–Bloch (1887).

Quellen und Literatur:

Annalen der Austria Innsbruck, Band II, WS 1875/76, 13. 12. 1875 und WS 1876/77, 7. 2. 1877.
Academia 16 (1903/04), S. 269.
Austrier-Blättern Nr. 18, Weihnachten 1949
Hellwing, I(saak) A.: Der konfessionelle Antisemitismus im 19. Jahrhundert in Österreich. Wien 1972. (= Veröffentlichungen des Instituts für Kirchliche Zeitgeschichte. II. Serie: Studien 2), S. 71–183,
Katholisch-Deutsche Studentenverbindung Ferdinandea-Prag zu Heidelberg im CV. 1886 – 1986. Band I. Die Gründerzeit 1885–1918. Heidelberg 1986, S. 31.
Mazura, Uwe: Zentrumspartei und Judenfrage 1870/71–1933. Verfassungsstaat und Minderheitenschutz. Mainz 1994. (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe B: Forschungen. Band 62), S. 104f. (Brief Rohlings an Lieber).
Schmitt, Christoph: August Rohling, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Band 8 (1994), 577–583.
Stemberger, Günter: August Rohling, in: Lexikon für Theologie und Kirche 3. Aufl., Band VIII (Freiburg/Br. 1999), Spalte 1239.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 478–482.
Wimmer, Ernst: Der KV in Österreich, in: Festschrift Achtzig Jahre ÖKV 1933–2013. Hg. Stephan Schönlaib. Wien 2013, 49f.