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em. Univ.-Prof. FA Dr. Dr.h.c.mult. Herbert Braunsteiner

em. Univ.-Prof. FA Dr. Dr.h.c.mult. Herbert Braunsteiner

Urverbindung: Nibelungia (20.10.1945)

Bandverbindungen: AIn

Geboren: 10.03.1923, Wien
Gestorben: 25.07.2006, Bad Fischau (Bezirk Wiener Neustadt-Land, Niederösterreich)
Universitätsprofessor (Interne Medizin)
Politische Haft: 1940 KZ Schirmeck (Elsaß)

Lebenslauf:

HERKUNFT, AUSBILDUNG UND AUFENTHALT IN FRANKREICH

Braunsteiner wurde als Sohn eines Direktors einer tschechischen Schleifscheiben- und Schleifmittelfabrik geboren, der deren Wiener Niederlassung leitete. Seine Mutter, die in jungen Jahren eine hübsche Person gewesen sein muß, war Jüdin. Ihr Vater war Schlossermeister und ist aus Brody (Galizien) nach Wien gezogen. Ihre Mutter entstammte einer alteingesessenen jüdischen Familie aus dem damaligen Westungarn (heute Burgenland). Braunsteiner war also im Sinne der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 (sog. „Nürnberger Rassegesetze“) „Mischling 1. Grades“ (sog. „Halbjude“).

Die Familie von Braunsteiners Mutters teilte das tragische Schicksal der Juden im Dritten Reich. Seine Großmutter starb 1942 hochbetagt im KZ Theresienstadt, ein Onkel und dessen Frau kam 1941 nach Deportation in Weißrußland um. Einem anderen Onkel und dessen Frau gelang die Ausreise nach Amerika.

Braunsteiner besuchte ab 1933 das Realgymnasium in Wien-Brigittenau, (Unterbergergasse), wo Alois Hinner (NdW) Direktor und Anton Maria Pichler (NbW) sein Religionsprofessor waren. In dieser Zeit war er auch in einer Wiener Freikorpsgruppe tätig, die zum Österreichischen Jungvolk gehörte. Nach dem Anschluß im März 1938 machten Verwandte in Paris das Angebot, Braunsteiner für zwei Jahre zu sich zu nehmen, bis sich die Lage beruhigt hat. Er reiste daher im April 1938 nach Paris und besuchte dort mit sehr gutem Erfolg die Schule.

Nach der Kriegserklärung Frankreichs am 3. September 1939 wurde Braunsteiner wegen seines jugendlichen Alters vorerst nicht interniert und konnte die Schule unter schwierigen Umständen weiter besuchen. Ende April 1940 meldete er sich zu einem Ausländer-Freiwilligenbataillon. Nach dem Waffenstillstand am 22. Juni 1940 bestand für ihn die Gefahr, an die Deutschen ausgeliefert zu werden. Er tauchte daher für kurze Zeit unter, um sich dann in einem Internierungslager für Deutsche in der Nähe von Marseille zu melden. Von dort glaubte er, mit einem Transport nach Wien zurückkehren zu können, wurde aber in Dijon als „Mischling 1. Grades“ vom SD verhaftet und in Untersuchungshaft nach Straßburg gebracht. Eine Woche später wurde er in das südwestlich von Straßburg gelegene, damals noch provisorische KZ Schirmeck verlegt.

Nach sechs Wochen Aufenthalt gelang es Braunsteiner, von dort zu entkommen. Unter abenteuerlichen Umständen konnte er in der Nähe von Lahr (heute Ortenaukreis, Baden-Württemberg) den Rhein durchschwimmen, wurde aufgegriffen, konnte aber neuerlich entkommen. Er schlug sich im Schwarzwald Richtung Osten zu Fuß durch und gelangte bis Freudenstadt. Dort wurde er neuerlich wegen Vagabundage in Verwahrung genommen, konnte aber mit seinem Vater Verbindung aufnehmen, Dieser hatte aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit entsprechende Kontakte und konnte durch glückliche Zufälle die Freilassung Braunsteiners erreichen.

BRAUNSTEINERS ROLLE IM WIDERSTAND UND BEI DER GRÜNDUNG DER ÖVP

Im September 1940 nach Wien zurückgekehrt holte Braunsteiner als Externist im April 1941 die Matura nach. Als „Mischling 1. Grades“ war er sowohl „wehrunwürdig“ und konnte auch nicht studieren. Er arbeitete daraufhin in der Firma seines Vaters. Ebenso mußte auch seine Mutter zwangsweise in einer Zigarettenfabrik in Wien-Floridsdorf arbeiten.

Über Johannes Eidlitz und seinem ehemaligen Religionsprofessor Anton Maria Pichler kam Braunsteiner in Kontakt zu Widerstandskreisen und schloß sich dem „Österreichischen Kampfbund“ an. Diesem wurden Flugblattaktionen und Sabotageakte in Rüstungsbetrieben zugerechnet. Über Pichler lernte er auch Felix Hurdes (NbW EM) kennen. Im Februar 1944 begegnete er seiner späteren Frau Elisabeth Schmitz, der Tochter des früheren Vizekanzlers und Wiener Bürgermeisters Richard Schmitz (Nc).

Im Herbst 1944 kam Braunsteiner auch mit der Widerstandsbewegung O5 in Kontakt. Durch diese und aufgrund seiner Kontakte mit Hurdes und Pichler war er in und nach der Endphase der Kämpfe in Wien im April 1945 an den Vorbereitungen für die Gründung der ÖVP beteiligt, die dann am 17. April 1945 im Wiener Schottenstift stattfand.

Anfang Mai 1945 wurde Braunsteiner von der ÖVP beauftragt, diese in den westlichen Bundesländern bekannt zu machen. Er erhielt ein Empfehlungsschreiben vom Wiener Erzbischof, Theodor Kardinal Innitzer (NdW), und durchschwamm unter gefährlichen bzw. abenteuerlichen Umständen am 19. Mai 1945 bei Großraming die Enns, die damalige Grenze zwischen den Besatzungszonen der Sowjetunion und den USA. In der Folge gelangte er nach Linz, Salzburg und Innsbruck, wo er die von den Alliierten eingesetzten provisorischen Landeshauptleute Heinrich Gleißner (S-B), Adolf Schemel (AW) und Karl Gruber (AW) traf. Mit dieser Aktion konnte zum einen eine bundeseinheitliche ÖVP gewährleistet werden, zum anderen hat sie auch mitgeholfen, daß im Westen keine Gegenregierung zu Wien entstanden war. Am 3. Juni kehrte Braunsteiner wieder nach Wien zurück.

BRAUNSTEINERS WISSENSCHAFTLICHE LAUFBAHN

Im Herbst 1945 konnte Braunsteiner endlich sein Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien (Dr. med. 1948) beginnen, wo er der Nibelungia beitrat (Couleurname Herbert), mit der er über Anton Maria Pichler in Kontakt gekommen war. Aufgrund der Nachkriegssituation konnte er das Studium innerhalb dreier Jahre abschließen.

Danach konnte Braunsteiner am Pharmakologischen Institut der Universität Wien kurze Zeit arbeiten. Bereits Anfang 1949 erhielt er ein Stipendium für das Krebsforschungsinstitut in Paris, wo er bis August 1950 blieb. Nach Wien zurückgekehrt bekam er eine Stelle an der II. Medizinischen Universitätsklinik, die unter der Leitung von Karl Fellinger (Nc) stand. Ab März 1953 war er dann aufgrund eines Stipendiums für ein Jahr am Krebsforschungsinstitut in New York.

Wiederum nach Wien zurückgekehrt habilitierte sich Braunsteiner 1958 bei Karl Fellinger für Interne Medizin im Fachbereich Hämatologie mit einer Arbeit über die Thrombasthenie, eine seltene Erkrankung, bei der die Störung der Funktion der Blutplättchen im Vordergrund steht.

1964 wurde Braunsteiner als Nachfolger von Anton Hittmair (AIn EM) als Professor für Innere Medizin an die Medizinische Fakultät der Universität Innsbruck berufen, Er wurde ein international anerkannter Hämatologie. So untersuchte er als erster Blutzellen unter dem Elektronenmikroskop. Es gelang ihm auch der Nachweis, daß sich Lymphozyten in Plasmazellen umwandeln können, womit er einen Anstoß zur immunologischen Forschung gab. Er konnte auch zeigen, daß die Monozyten aus dem Knochenmark stammen, von dort den ganzen Körper durchsetzen und sich in Makrophagen mit der Aufgabe der Antigenerfassung umwandeln.

In den Studienjahren 1979 bis 1981 war Braunsteiner Rektor der Universität Innsbruck, in den Studienjahren 1967 bis 1972 Dekan der dortigen Medizinischen Fakultät. Er war auch Vizepräsident des Obersten Sanitätsrates. 1975 bewarb er sich um die Nachfolge Fellingers in Wien. Auf der Berufungsliste stand er an erster Stelle, und auch die damalige Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg unterstützte ihn, jedoch verhinderte Bundeskanzler Bruno Kreisky die Berufung.

1984 verstarb Braunsteiners Frau Elisabeth, geb. Schmitz, mit der er drei Töchter hatte. Er heiratete nochmals eine verwitwete Mitarbeiterin, mit der er einen Sohn hatte. Nach seiner Emeritierung 1993 kehrte Braunsteiner nach Wien zurück. 1995 wurde an der Stelle, wo er die Enns durchschwommen hatte, eine Gedenktafel enthüllt. 2005 verlieh ihm die ÖVP wegen seines Einsatzes im Jahr 1945 das Goldene Ehrenzeichen.

Braunsteiner ist nach langer schwerer Krankheit verstorben und im Familiengrab am Grinzinger Friedhof in Wien bestattet worden. Der gelegentliche genannte Todesort Wien ist falsch. In Bad Fischau war das Sommerhaus Braunsteiners.

Werke:

Der Lymphozyt (1958).
Die Physiologie und Physiopathologie weißer Blutzellen (1959).


Quellen und Literatur:

Verbindungsarchiv Nibelungia Wien (Gottfried Mazal).
Mitteilung von Georg Schmitz (Nc).
„So blieb mir nichts anders übrig, als die Enns zu durchschwimmen.“ Zeitzeugengespräch mit Herbert Braunsteiner, in: Demokratie und Geschichte. Jb. des Karl von Vogelsang-Instituts zur Erforschung der Geschichten der christlichen Demokratie in Österreich. Hg. Helmut Wohnout (Nc). Jg. 1, 1997, S. 71–86.
Austrier-Blätter, Heft 75, 2006, S. 207f.
Wiener Klinische Wochenschrift 119 (2006), 621f.
Hundert (100) Jahre Nibelungia. Festschrift zum hundertsten Stiftungsfest der Katholisch-Österreichischen Studentenverbindung Nibelungia zu Wien im ÖCV. Wien 2008, S. 62–67.
http:/www.i-med.ac.at/innere1/kontakt/braunsteiner.html (9. 4. 2012)
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Herbert Fritz und Peter Krause (Rt-D). Wien 2. wesentlich verb. Aufl. 2013, S. 245f.
Knapp, Edwin (AIn): Herbert Braunsteiner. Ein erfülltes Leben als leidenschaftlicher Österreicher, großer Arzt, Wissenschaftler und Klinikvorstand. Innsbruck 2014.