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Abg. z. NR a.D. Richard Wollek

Abg. z. NR a.D. Richard Wollek

Urverbindung: Austria Innsbruck (15.10.1894)

Bandverbindungen: Fd, Va, Cl, Nc, Le, NdW, Rd, R-B, M-D, F-B, S-B, Kb, Rg, Aa, NbW, Wl, Am, Dan, R-D, BbG, Vi, Alp, AW, BbW, FcC, GlL, Pf, Trn

Geboren: 18.07.1874, Innsbruck
Gestorben: 14.01.1940, Wien
Reichsratsabgeordneter, Nationalratsabgeordneter, Landtagsabgeordneter (Niederösterreich), Parteisekretär, ÖCV-Amtsträger

Lebenslauf:

HERKUNFT UND STUDIUM

Wollek wurde als Sohn eines aus Neutitschein (Nový Jicín, Nordostmähren) stammenden Eisenbahnbeamten (Südbahninspektor) bzw. Forellenzüchters geboren und absolvierte 1894 in Innsbruck das Gymnasium. Dort trat er der 1876 gegründeten katholischen Pennalie Teutonia bei. Sie ist die derzeit älteste bestehende Verbindung des MKV. Infolge seiner starken Kurzsichtigkeit wurde er für den Militärdienst nicht assentiert, was ihn somit von einer Teilnahme am Ersten Weltkrieg bewahrt hat. Nach der Matura begann er das Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck, wo er der Austria Innsbruck (Couleurname Dr. cer. Hagen) beitrat. Einer seiner Leibfüchse war der spätere Bundeskanzler Otto Ender (AIn).

Schon bald engagierte sich Wollek im und für den CV sowie allgemein für das katholische Studententum. Sein Ziel war es u. a., die nicht für das Couleurstudententum zu begeisternden Hörer für die „katholische Sache“ zu gewinnen. 1901 wechselte er nach Prag, um dort das Studium der Medizin an der deutschen Karl-Ferdinands-Universität fortzusetzen sowie der in personelle Bedrängnis geratenen CV-Verbindung Ferdinandea zu helfen, was ihm auch gelang. Auf seine Anregung hin wurde Ende 1904/Anfang 1905 die zweite Prager CV-Verbindung Vandalia gegründet.

Im Sommersemester 1905 wechselte Wollek das Studium und inskribierte an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Prag. Die bei Wollek im Gesamtverzeichnis 1905 stehende Berufsbezeichnung „Gerichtsauskultant“ (Absolvierender des Gerichtsjahres) deutet zwar auf eine Absolvierung dieses Studiums (abs. iur.) hin, weil diese die Voraussetzung des Gerichtsjahres war. Doch bei genauen Recherchen im Archiv der Prager Karls-Universität stellte sich heraus, daß Wollek auf beiden Fakultäten keine Rigorosen, Staatsprüfungen o. ä. abgelegt hat.

Im Laufe des Sommersemesters 1905 kam es zur Eigentumsübertragung des Fischereizuchtbetriebs seines Vaters auf Wollek, offenbar weil jener im Juni 60 Jahre alt wurde. Dieser war inzwischen der größte seiner Art in Österreich. Damit war Wollek finanziell unabhängig und hatte dadurch eine „Lebensstellung“. Daher wurde er am 7. Juni 1905 bei der Austria philistriert. Dadurch brauchte er nicht mehr inskribieren und beendete nach einem Semester sein Jus-Studium. Im routinemäßigen Bericht über die Philistrierung in der „Academia“ (15. Juli 1905) wird er mit seiner Prager Adresse (Salmstraße 9) konsequenterweise als „Privatier“ bezeichnet.

WOLLEKS POLITISCHE LAUFBAHN

Bereits in seiner Innsbrucker Zeit war Wollek politisch tätig. Gemeinsam mit dem Brixener Theologieprofessor Aemilian Schöpfer (R-B EM) gründete er 1897 den christlichsozialen Verein für Tirol und kam dadurch in Kontakt mit der Christlichsozialen Bewegung sowie deren Organisator Albert Geßmann (AW EM). Dieser bot Wollek, der weiterhin noch in Prag lebte, telegraphisch im Mai 1906 in Personalunion den Posten eines Sekretärs sowohl der Christlichsozialen Reichsparteileitung als auch des Niederösterreichischen Bauernbundes in Wien an.

Geßmann, der schon damals als „Generalstabschef“ der Christlichsozialen Partei bezeichnet wurde, übte bislang die Funktion aus, die man nunmehr als Generalsekretär einer Partei bezeichnen würde. Dabei diente seine Privatwohnung als Sekretariat. Das war vor allem nach dem ersten großen Wahlsieg der Christlichsozialen bei den niederösterreichischen Landtagswahlen 1902 nicht mehr tragbar. So wurde am Hamerlingplatz 9 (Wien-Josefstadt) ein Büro für ein Parteisekretariat angemietet. Geßmann blieb weiterhin „Generalstabschef“ der Partei und holte sich den bereits im katholischen Milieu gut vernetzten Wollek zur Unterstützung als Sekretär. Dieser hatte sicherlich Anteil am Wahlerfolg der Christlichsozialen bei den ersten Reichsratswahlen nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht im Jahr 1907. Nach der Wahlniederlage 1911 wurde das Parteisekretariat verkleinert und in die Lenaugasse (ebenfalls Wien-Josefstadt) verlegt, wobei Wollek die Agenden für den Bauernbund abgab, der nun ein eigenes Sekretariat errichtete.

Diese Positionen zogen auch politische Funktionen nach sich. So war Wollek vom 8. Januar 1909 (Konstituierung, die Wahl war noch 1908) bis 8. Januar 1915 niederösterreichischer Landtagsabgeordneter. Dadurch war er vom 5. November 1918 bis zum 4. Mai 1919 auch Mitglied der Provisorischen Landesversammlung. Nach der ersten republikanischen Landtagswahl war er ab dem 20. Mai 1919 wiederum Landtagsabgeordneter, legte aber dieses Mandat im November 1920 zurück, als er in den Nationalrat gewählt wurde.

Vom 17. Juli 1911 bis zum 11. November 1918 (wegen des Krieges Verlängerung der Wahlperiode) war er Reichsratsabgeordneter und daher auch vom 21. Oktober 1918 bis zum 16. Februar 1919 Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung, und zwar für den Wahlkreis Horn-Geras-Raabs-Allentsteig Land, wo er dem Abt von Geras, Adrian Lambert Zach (NbW EM), nachfolgte. Daß aus diesem Wahlkreis auch die Vorfahren bzw. Verwandten Adolf Hitlers („Ahnengau des Führers“) stammten, die damals dort noch wohnten und möglicherweise sogar Wollek wählten, ist nur ein historisches Aperçu am Rande. Seitens der Provisorischen Nationalversammlung wurde er in den Staatsrat gewählt.

Vom 10. November 1920 bis zum 2. Mai 1934 war Wollek Nationalratsabgeordneter für den Wahlkreis Weinviertel. Auch in der Ersten Republik blieb er bis zu deren „Liquidation“ im September 1934 Sekretär der Christlichsozialen Reichsparteileitung und wurde auch durch seine Art ein „Mann des Hintergrunds“, der vor allem in personeller Hinsicht die „Fäden zog“. Generalsekretäre der Chistlichsozialen Partei waren zu dieser Zeit Friedrich Schönsteiner (Alp EM) von 1924 bis 1928 und Viktor Kolassa (NdW) ab 1929.

WOLLEKS WIRKEN FÜR DEN CV

Sein „personelle Wirken“ kam vor allem auch dem CV zugute. Gleichzeitig mit seinem Beginn als Parteisekretär gründete Wollek 1906 eine „Stellenvermittlung“ für den CV in Österreich und verschaffte so vielen Absolventen eine berufliche Position. Das geschah nicht nur aus weltanschaulichen-politischen Beweggründen, sondern das war damals – vor allem dann nach 1918 – auch eine wichtige soziale Angelegenheiten, um jungen Akademikern einen Beruf zu verschaffen, damit sie sich überhaupt ernähren und eine Familie gründen konnten.

In den Jahren 1905/06 war Wollek wesentlich am Beitritt des Zweiten ÖCV zum CV beteiligt. Auf seine Anregung hin wurde im Juni 1908 in Innsbruck auch die Raeto-Bavaria gegründet. Anläßlich des 25. Stiftungsfestes der Carolina Mitte Mai 1913 war er in Graz und erlebte hautnah die Auseinandersetzungen mit den Schlagenden. Er intervenierte beim Statthalter, damit zum Schutz Militär eingesetzt werde, was dann auch geschah. Auch Ende der zwanziger Jahre war er in Graz und unterstützte das Anliegen der Carolina, bei den Rektorsinaugurationen eingeladen zu werden.

Im Dritten ÖCV, an dessen Gründung Wollek 1933 maßgeblich mitwirkte, bekleidete er von 1933 bis 1936 das Amt für Berufsberatung im ÖCV-Beirat. Als Emmerich Czermak (NdW) 1933 Vorsitzender des Österreichischen Altherrenbundes wurde, übernahm er zeitweise dessen Funktion als Vorsitzender des niederösterreichischen Altherrenbundes. Mit Ausnahme der Bajuvaria und Rheno-Juvavia trug er die Bänder sämtlicher CV-Verbindungen Österreichs. Er war bislang jener österreichische CVer, der die meisten Bänder getragen hatte (insgesamt 29 inklusive der Urverbindung).

Da das Bandverleihungsdatum bei rund der Hälfte der Bandverbindungen noch nicht eruiert werden konnte, wird nachfolgend die Liste der Bandverbindungen aus dem ersten ÖCV-Gesamtverzeichnis des Jahres 1935 angeführt. Sie dürfte wohl die zeitliche Reihung der Bandverleihungen wiedergeben: Fd, Va, Cl, AW, Nc, NdW, Le, R-B, F-B, M-D, Rd, Rg, S-B, Trn, Kb, FcC, Aa, NbW, Am, BbW, Wl, Alp, GlL, BbG, R-D, Pf, Vi, Dan. Diese Reihung findet sich – am Schluß gekürzt – auch in davor liegenden CV-Gesamtverzeichnissen. In der Auflistung in der obigen Tabelle werden zuerst die Bandverbindungen nach Verleihungszeitpunkt angeführt, dann folgen jene, wo dieser nicht bekannt ist, in alphabetischer Reihung, beginnend mit der Alpenland (Alp).

Wollek hatte auch wichtige Positionen im vorpolitischen Raum inne, so war er u. a. Vorstandsmitglied des Katholischen Volksbunds sowie des Preßvereins Herold, der die „Reichspost“ sowie später das „Kleine Volksblatt“ herausgab.

DAS ENDE SEINER POLITISCHEN LAUFBAHN

Mit dem Ende der Christlichsozialen Partei sowie des parlamentarischen Systems 1933/34 verlor Wollek auch seine politischen Funktionen wie auch seine berufliche Stellung als Parteisekretär. Besonders traf ihn auch das Ende seines Parlamentsmandats, denn als Nationalratsabgeordneter konnte er kostenfrei die 1. Klasse der Bahn benützen und dadurch seine wichtigen persönlichen Kontakte pflegen. Über Intervention des letzten Obmanns der Christlichsozialen Partei, Emmerich Czermak (NdW), erhielt er einen Konsulentenposten bei der Versicherungsanstalt der Österreichischen Bundesländer (Bundesländerversicherung, nunmehr UNIQA).

Am 11. März 1938 abends – auf den Tag genau 42 Jahre zuvor hatte Wollek seinen Burscheneid abgelegt – verbrannte er in seiner Wiener Wohnung in der Albertgasse (Wien-Josefstadt) alle seine schriftlichen Unterlagen, damit sie nicht den Nazis in die Hände fallen und womöglich jenen schaden konnten, denen er geholfen hatte. Wollek litt schwer an Diabetes. In Zusammenhang mit den politischen Umwälzungen des Jahres 1938, die ihm psychisch zu schaffen machten, starb er Anfang 1940 mit 66 Jahren und wurde im Familiengrab in Hall in Tirol begraben.

Bei der Spurensuche nach Wollek entsteht das Bild eines Mannes, der sein Leben ganz in den Dienst der „katholischen Sache“ gestellt hat. Diese hat in Österreich durch eine Koinzidenz verschiedener Umstände um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert einen starken Aufbruch erlebt. Wollek stand mitten in diesem Aufbruch und hat ihn nach vollen Kräften unterstützt.

Wolleks Wirken blieb nach außen hin unspektakulär, dafür umso wirkungsvoller, vor allem bei seinen zahlreichen Hilfen bei in Not geratenen Menschen und Cartellbrüdern, wozu er nicht selten auch sein Privateinkommen einsetzte. Seinen Einsatz „für die katholische Sache“ verstand er aus dem damaligen Verständnis heraus auch und vor allem politisch, was in der heutigen Zeit nach der Trennung von Kirche und (Partei-)Politik nicht immer ganz nachzuvollziehen ist. Wollek war ein Mann des Hintergrunds, und das gesprochene wie geschriebene Wort war seine Sache nicht. Er war ein „Tat-Christ“, der dem Auftrag des Evangeliums (Markus 9,35) nachgekommen ist. Wegen seines besonderen Einsatzes für den CV beschloß die Cartellverbandsversammlung 1953, die höchste Auszeichnung des österreichischen CV nach ihm zu benennen: Ein rot-weiß-rotes Band mit der Aufschrift „In vestigiis Wollek“.

Quellen und Literatur:

Mitteilung von Gerhard Jandl (Kb), 12. und 13. 6. 2017 (Email) betr. Archiv der Prager Universität und Wollek.
Academia 18 (1905/06), S. 115 und 37 (1924/25), S. 116f.
Reichspost, 19. 6. 1931, S. 5.
Mitteilungsblatt des ÖCV und ÖAHB Nr. 2 (1. 11. 1933), S. 5.
Austrier-Blätter Nr. 15, 1946, S. 69–74.
Krause, Otto: Biographisches Handbuch des nö. Landtages 1861–1921 (online: Landtag Niederösterreich). St. Pölten 1995. Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 74, 78, 117, 124, 168, 172f., 179, 200, 217, 239, 311f., 343, 362, 376, 410.
Hartmann, Gerhard (Baj): „Wer der erste sein will, soll der Diener aller sein.“ Richard Wollek – Das beinahe vergessene Leben eines großen CVers, in: In vestigiis Wollek. Gedenkschrift anläßlich des 70. Todesjahres von HR Richard Wollek. Hg. von der AV Austria Innsbruck. Innsbruck 2010, S. 11–35.
https://www.parlament.gv.at/WWER/PARL/J1848/Wollek.shtml