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Univ.-Prof. HR Dr. Otto Willmann

Univ.-Prof. HR Dr. Otto Willmann

Ehrenmitgliedschaften: Ferdinandea (Prag) zu Heidelberg

Geboren: 24.04.1839, Polnisch Lissa (Kreis Fraustadt, Provinz Posen, Preußen; nunmehr Leszno, Wschowa, Poznan, Polen)
Gestorben: 01.07.1920, Leitmeritz (Böhmen; nunmehr Litoměřice, Tschechien)
Mitglied des Herrenhauses, Universitätsprofessor (Philosophie und Pädagogik)

Lebenslauf:

Willmann wurde als jüngstes von sieben Kindern eines Kreisgerichtsdirektors in der Provinz Posen geboren. Den Volksschulunterricht sowie den der ersten Gymnasialklassen erhielt er von Privatlehrern, dann besuchte er in Polnisch Lissa das Comenius-Gymnasium, das eine frühere Wirkungsstätte von Amos Comenius war. Nach seiner Reifeprüfung im Jahr 1857 begann er das Studium, der Mathematik sowie dann nach einem Jahr der Philosophie und Klassischen Philologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Breslau, wo er der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks beitrat. 1859 setzte er das Studium in Berlin fort (dort Dr. phil. 1862), wo er 1863 das Staatsexamen für das höhere Lehramt in den Fächern der klassischen Sprachen, Deutsch, Französisch, Philosophische Propädeutik, Mathematik und Geschichte ablegte. In Berlin gründete er 1862 auch den Fichteverein.

Von 1863 bis 1868 war Willmann Lehrer an einer Übungsschule und einem Erziehungsinstitut in Leipzig. 1868 wurde er nach Wien an das damals gegründete Pädagogium, der städtischen Lehrerfortbildungsschule mit Übungsschule, berufen und war dort als Oberlehrer tätig. Gleichzeitig erhielt er die österreichische Staatsbürgerschaft.

Am 28. März 1872 wurde Willmann ohne Habilitation zum außerordentlichen Universitätsprofessor für Philosophie und Pädagogik an die Karls-Universität Prag berufen und übernahm 1876 die Leitung des mit der Universität verbundenen pädagogischen Seminars. Die Ernennung zum ordentlichen Universitätsprofessor für Philosophie und Pädagogik erfolgte am 19. Januar 1877. 1882 wurde die Prager Universität in eine deutsche und in eine tschechische geteilt. Die deutsche hieß nun Karl-Ferdinands-Universität. Daneben war er noch Mitglied des Landesschulrates im Königreich Böhmen. In dieser Zeit wurde ihm die Ehrenmitglied der Ferdinandea Prag verliehen. Ebenso erhielt er den Berufstitel Hofrat

Nach seiner Emeritierung im Jahr 1903 wurde Willmann am 27. Dezember 1909 zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses ernannt und übersiedelte noch im selben Jahr nach Salzburg. Ab 1901 warb er für die Gründung einer katholischen Universität in Salzburg und hat seine entsprechende Mitarbeit dem Fürsterzbischof Johannes Baptist Kardinal Katschthaler (AIn EM) angeboten. Dort wurde er zum Begründer der philosophisch-pädagogischen Kursbewegung, die durch den 1906 gegründeten Verein für christliche Erziehungswissenschaft, dessen Mitbegründer und Ehrenpräsident er war, in weite Teile des Landes getragen wurde. Mit dem 1909 nach Salzburg berufenen Moraltheologen Ignaz Seipel (Nc EM) geriet er noch in Kontakt, bevor er 1910 wegen mangelnden Erfolgs wieder nach Böhmen zurückkehrte, wo er sich in Leitmeritz niederließ. Am dortigen Priesterseminar hielt er noch Kurse ab.

Willmann wirkte im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entscheidend mit, daß die Pädagogik als eigene wissenschaftliche Disziplin an den Universitäten anerkannt wurde. Man kann ihn als einen schöpferischen Begründer einer philosophisch fundierten Wissenschaft der Pädagogik nennen und seine Pädagogik als eine philosophische bezeichnen. Er war wohl der bedeutendste Pädagogiker des alten Österreich.

Willmann war mit den theoretischen und praktischen Problemen des Unterrichts an Volksschulen und Gymnasien bis in kleinste Detail vertraut und sah die Pädagogik auch als empirische Sozialwissenschaft. Er kann auch als Vorläufer der Sozialisationsforschung angesehen werden, da er als einer der ersten den Einfluß von sozialen Gruppen und Institutionen auf die Entwicklung der Persönlichkeit erkannte.

In den Jahren zwischen 1870 und 1880 wandte sich Willmann von einem aufgeklärt-liberalen und überkonfessionellen Kulturchristentum ab und einem „reinen“ katholischen Glauben zu. Er wurde damit immer mehr zu einem katholischen Weltanschauungsphilosophen und geriet dadurch in diesen Jahren zwangsläufig in Kontakt mit der Katholisch-Konservativen Bewegung in Österreich, womit auch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Ferdinandea an ihn zusammenhängt. Die „Academia“ schrieb anläßlich seines Todes: „Die katholische Pädagogik verliert in ihm den größten Vertreter.“ Sein wissenschaftlicher Ruf machte an Grenzen nicht Halt. So wurden eine Gemeinschaftsgrundschule im niederrheinischen Voerde (Kreis Wesel, Nordrhein-Westfalen) und eine Hilfsschule (Sonderpädagogisches Förderzentrum) in Amberg (Oberpfalz, Bayern) nach ihm benannt.

1970 wurde zu seinem Gedenken in Salzburg die Societas Litterarum Artiumque Ottonis Willmannis gegründet. An seinem Salzburger Wohnhaus (Augustinerstraße 6a) wurde für ihn eine Gedenktafel mit folgendem Inhalt angebracht: „Der geistvolle Deuter und Lehrer der Perennis Philosophia, der christliche Ethiker und Bildner der Jugend, der Förderer der freien katholischen Universität Salzburg, der vorbildliche Österreicher und Europäer.“ Und in Wien-Favoriten wurde 1974 nach ihm die Otto-Willmann-Gasse benannt. Seine Tochter Charlotte ehelichte den Freiburger (Breisgau) katholischen Verleger Hermann Herder (AW EM) (1864–1937).

Werke:

(Auswahl)
Die Odyssee im erziehenden Unterricht (1868).
Lesebuch aus Herodot: ein historisches Elementarbuch im Sinne des erziehenden Unterrichts (1872).
Lesebuch aus Homer: eine Vorschule zur griechischen Geschichte und Mythologie (1876).
Didaktik als Bildungslehre nach ihren Beziehungen zur Sozialforschung und zur Geschichte der Bildung. 2 Bände (1882/89).
Die sozialen Aufgaben der höheren Schulen (1891).
Geschichte des Idealismus, 3 Bände (1895–1897).
Die Volksschule und die soziale Frage (1900).
Christliches Volkstum als Grundlage der Jugendbildung (1900).
Von der Werkstatt der Philosophia perennis (1912).
Der Lehrstand im Dienste des christlichen Volkes (1919).
Sämtliche Werke. Zehn Bände (1967–1988).

Quellen und Literatur:

Academia 16 (1903/04), S. 269, 33 (1920/21), S. 140f., und 43 (1930/31), S. 338–340.
Brezinka, Thomas: Pädagogik in Österreich. Die Geschichte des Faches an den Universitäten vom 18. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Band 2: Prag, Graz, Innsbruck. Wien 2003, 21–48.
www-gewi.uni-graz.at/piluwe/author?id=8
www.uni-due.de/imperia/md/content/herbartianismus-forschungsstelle/willmann.pdf
https://www.parlament.gv.at/WWER/PARL/J1848/Willmann.shtml