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Vors. BR LR a.D. RA Dr. Richard Steidle

Vors. BR LR a.D. RA Dr. Richard Steidle

Urverbindung: Austria Innsbruck (17.10.1900)

Bandverbindungen: R-D

Geboren: 20.09.1881, Untermais bei Meran (Tirol)
Gestorben: 30.08.1940, ermordet im KZ Buchenwald (Thüringen)
Vorsitzender des Bundesrates, Landesrat (Tirol), Landtagsabgeordneter (Tirol), Rechtsanwalt, Diplomat
Politische Haft: 1938 bis 1940 KZ Buchenwald

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Steidle wurde als Sohn eines Kaufmanns geboren, dessen Familie aus Württemberg eingewandert ist. Er besuchte die Gymnasien in Feldkirch sowie in Innsbruck. Dort trat er der kurzlebigen katholischen Pennalie Nibelungia (III) bei. Nach der Matura im Jahr 1900 begann er das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck (Dr. iur. 1908), wo er der Austria Innsbruck beitrat (Couleurname Faust).

Nach dem Studium schlug Steidle die Rechtsanwaltslaufbahn ein. Er war Konzipient in Rechtsanwaltskanzleien in Schlanders (Südtirol) und Wien, Gerichtspraktikant bei verschiedenen Gerichten und eröffnete 1913 eine eigene Kanzlei in Innsbruck. Im Ersten Weltkrieg wurde er, da für den Frontdienst untauglich, beim Militärgerichtswesen (Oberleutnantauditor) eingesetzt.

POLITISCHE LAUFBAHN

Nach dem Krieg begann Steidles politische Tätigkeit. Vom 1. Juli 1919 bis zum 21. November 1934 gehörte er dem Tiroler Landtag an. Darüber hinaus war er vom 30. Oktober 1918 bis zum 6. Juni 1921 (als Landesrat) und dann vom 23. März 1933 bis zum 9. November 1934 (als nichtständiger Landesrat) Mitglied der Tiroler Landesregierung.

Vom Tiroler Landtag wurde er vom 11. Januar 1922 bis zum 9. April 1931 in den Bundesrat entsandt, dessen Vorsitzender er vom 1. Dezember 1923 bis zum 31. Mai 1924 sowie vom 1. Juni bis zum 30. November 1928 war. Am 27. Dezember 1930 wurde er von der Bundesratsfraktion der Christlichsozialen ausgeschlossen und gehörte danach keinem Parlaments-Klub mehr an.

STEIDLE UND DIE HEIMWEHR

Steidle ist untrennbar mit der Heimwehrbewegung der Zwischenkriegszeit verbunden. Er gründete am 12. Mai 1920 die Tiroler Heimwehr und war deren Landesführer bis 1934. In den zwanziger Jahren knüpfte er Verbindungen zu rechtsstehenden bzw. faschistischen Organisationen in Bayern, Ungarn und Italien, die ihn u. a. auch mit Waffen belieferten. Aufgrund seiner Initiative schlossen sich die diversen Heimwehren in den Ländern zu einer Dachorganisation zusammen, dessen erster Bundesführer Steidle war.

Auf Steidle geht auch das sog. Korneuburger Gelöbnis vom 18. Mai 1930 zurück, wo dem parlamentarischen System eine Absage erteilt wurde. Dieses Gelöbnis stieß offiziell in der Öffentlichkeit auf weitgehende Ablehnung, so daß Steidle innerhalb der Heimwehrbewegung geschwächt wurde und sein Amt als Bundesführer im September 1930 abgeben musste. Auch wurde er deswegen, wie erwähnt, von der Christlichsozialen Bundesratsfraktion ausgeschlossen. Von 1932 bis 1934 war er dann wieder Bundesführerstellvertreter.

Steidle blieb aber unumstrittener Tiroler Landesführer. Im Zuge der politischen Umgestaltung Österreich ab März 1933 wurde die Tiroler Heimwehr als Hilfspolizei anerkannt. Am 11. Juni 1933 wurde von einem Nationalsozialisten auf ihn ein Attentat verübt, bei dem er schwer verletzt wurde, so daß sein rechter Arm gelähmt blieb. Vom 15. Juli bis zum 22. Dezember 1933 war er Sicherheitsdirektor des Landes Tirol, vom 1. November 1933 bis zum 7. Juni 1934 Bundeskommissär der Heimwehr für Propaganda. In der zweiten Hälfte des ersten Halbjahres 1934 kam es zu einer politischen Kaltstellung Steidles. Er wurde mit 8. Juni 1934 zum österreichischen Generalkonsul für Triest bestellt. Diese Position hatte er bis zum Anschluß inne.

Nach diesem wurde Steidle zur Vereidigung nach Wien zurückbefohlen und im Parlamentsgebäude sofort verhaftet. Am 10. November 1938 wurde er ins KZ Buchenwald überstellt, wo auch sein Sohn Othmar Steidle (ehemals R-D) einsaß. Nach einem Bericht der Austrier-Blätter (siehe unten) wurde vom Tiroler Gauleiter Mitte August 1940 jemand (ein ehemaliger Illegaler bzw. Kaffeebesitzer in Innsbruck) nach Buchenwald geschickt, um dort Steidle zu „liquidieren“. Sein Sohn wurde am 23. August 1940 ins KZ Dachau verbracht, um keine Zeugen zu haben. Steidle selbst wurde eine Woche später in einen nahegelegenen Wald gebracht und dort liquidiert. Nach Mitteilung des Lagerkommandanten wurde er „auf der Flucht erschossen“.

Steidle war einer der führenden Männer der Heimwehrbewegung und damit ein Exponent der politischen Rechten in Österreich. Er war ein brillanter Redner und im Gegensatz zu den meisten anderen Heimwehr-Funktionären analytisch begabt, womit er imstande war, sich mit den politischen Gegnern inhaltlich auseinanderzusetzen. Er verstand die Heimwehren als politische Erneuerungsbewegung für Österreich, scheiterte aber mit diesem Unterfangen und bereitete damit auch indirekt den Boden für die Nationalsozialisten. Auch hatte er Züge eines Einzelkämpfers. So verstand er sich weder mit den beiden anderen wichtigsten Heimwehr-Führern, nämlich Ernst Rüdiger Starhemberg und Walter Pfrimer, noch mit Engelbert Dollfuß (F-B).

Steidle war der einzige Angehörige des österreichischen diplomatischen Dienstes, der ein Opfer des Nazi-Regimes war. Sein Leichnam wurde im KZ Buchenwald kremiert und die Urne den Familienangehörigen übergeben. Diese wurde im Familiengrab auf dem Friedhof Innsbruck-Wilten beigesetzt (Ost, Arkade 10).

Quellen und Literatur:

Austrier-Blätter Nr. 15, 1946, S. 64.
Holzner, Johann u. a.: Zeugen des Widerstands. Eine Dokumentation über die Opfer des Nationalsozialismus in Nord-, Ost- und Südtirol von 1938 bis 1945. Innsbruck 1977, S. 94.
Schober, Richard: Geschichte des Tiroler Landtages im 19. und 20. Jahrhundert. Mit einem Beitrag von Eberhard Lang. Innsbruck 1984, S. 586, 591.
Agstner, Rudolf–Enderle-Burcel, Gertrude–Follner, Michaela: Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky. Biographisches Handbuch des Höheren Auswärtigen Dienstes 1918 bis 1959. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 2009, S. 425.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 334f.